Aktuelles
Schutz vor Gewalt – autonom und für alle!
Antrag auf der Juso-Landeskonferenz
Im Jahr 2022 wurden in Nordrhein-Westfalen rund 64.000 Menschen Opfer von häuslicher Gewalt. 72 Prozent der Opfer waren weiblich. Im selben Jahr steigt die Zahl der landesgeförderten Frauenhäuser von 64 auf 69. Bundesweit gibt es aktuell rund 7.000 Plätze in rund 400 Frauenhäusern – in ganz Deutschland.
Bundesweit, aber besonders in Nordrhein-Westfalen gibt es zu wenige Häuser mit zu wenigen Plätzen für Frauen – Mädchen und LBTIN*-Personen trifft die Situation besonders schwer. Es gibt multiple Gründe für die schlechten Strukturen, doch allem vorweg steht die unzulängliche Finanzierung der Frauenhilfe-Infrastruktur. Weitere Hürden, wie konfessionell gebundene Trägerschaften, binäre Geschlechtervorstellungen und stereotype Denkmuster stehen einem Schutz für alle Betroffenen noch immer im Weg.
Deshalb fordern wir die Landesregierung auf noch in diesem Jahr folgende Maßnahmen zu ergreifen:
- Stärkung von autonomer Frauenhilfe-Infrastruktur
Wir wollen eine vielfältige Trägerinnenschaft für die Frauenhilfe-Infrastruktur in NRW. Wir sehen es als falsch an, wenn nur große Wohlfahrtsverbände wie die Caritas und die Diakonie in der Frauenhilfe als Träger aktiv sind. Autonome Frauenhilfestrukturen arbeiten anders, gehen nicht in einem Gesamtkonstrukt auf und durch die mögliche Vereinsarbeit von autonomen Frauenhilfevereinen wird auch eine andere politische Auseinandersetzung mit den diversen Themen der Frauenhilfe geführt werden können. Um dies zu erreichen, muss die Landesregierung u. a. Schulungen für aktive Frauen in diesen Vorständen anbieten sowie eine öffentlichkeitswirksame Kampagne durchführen, damit auch Frauen für Nachfolgeregelungen angesprochen werden und mitarbeiten können, die bisher nicht erreicht wurden. Besonders die Stärkung des Ehrenamtes in der autonomen Frauenhilfe-Infrastruktur sollte öffentlichkeitswirksam beworben werden.
- Keine Trägerschaften von konfessionell gebundenen Trägern
Gerade die römisch-katholische Kirche ist in den Grundfesten ihrer eigenen Struktur misogyn. Wie soll ein Wohlfahrtsverband wie die Caritas, der nach eigenen Aussagen in der christlichen (katholischen) Tradition steht, glaubwürdig die Interessen von Frauen vertreten, wenn sie es in ihren eigenen Strukturen nicht schaffen, Frauen und Kinder vor Gewalt zu schützen?
- Eine Gewaltprävention für ALLE
Die Landesregierung muss ein Konzept vorlegen, wie sie alle sich weiblich positionierenden Menschen vor Gewalt schützen kann. Bisher entscheidet jedes Frauenhaus im Einzelfall, ob eine trans*-, inter*- oder nicht-binäre Person dort aufgenommen wird. Vom Grundsatz ist dies nicht TIN*-feindlichkeit, sondern der Ansatz, dass bei jeder Frau, als auch endo-cis Frauen, eine Einzelfallentscheidung über eine Aufnahme getroffen wird. Wir benötigen also spezielle Möglichkeiten zur Unterbringung von LBTIN*-Weiblichkeiten und dafür gesonderte Strukturen und/oder Häuser.
- Qualitätsmindestanforderungen in die Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Frauenhäusern
Das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat mit dem Runderlass aus dem November 2023 die Frauenhausfinanzierung bis 2028 geregelt. Nicht inbegriffen sind qualitative Mindestanforderungen an Frauenhäuser. So beschreibt der Erlass zwar eine personelle Untergrenze von zwei Hochschulabsolventinnen, davon min. eine Sozialpädagogin, einer Erzieherin sowie einer weiteren Mitarbeiterin sowie, dass ein Frauenhaus min. acht Plätze für Frauen und ihre Kinder bereitstellen muss, aber nicht ein Wort zu fachlichen Standards die eingehalten werden müssen.
Diese personelle Untergrenze lässt keine 24/7 Begleitung durch Fachkräfte zu Aufgrund dessen fordern wird eine personelle Mindestausstattung von
- Fünf Hochschulabsolventinnen, davon min. drei SozPäd
- Zwei Erzieherinnen
- Eine Verwaltungsmitarbeiterin
- Bei einem Verhältnis von mehr als 75 % Kinder- zu Frauenplätzen, zwei weitere SozPäd.
Ferner fordern wird die Landesregierung dazu auf, die Mindestplätze von derzeit acht auf zehn zu erhöhen. Damit verbunden ist eine entsprechende Dynamisieurng der Mittel im Verhältnis zu den damit neu gewonnenen Plätzen und jährlichen Steigerungen wie z. B. Personal- Immobilien- und Sachkosten.
In der Jugendhilfe müssen bspw. Träger*innen im Vorfeld der Antragstellung für Zuwendungen anerkannter Träger der Kinder- und Jugendhilfe sein, dies entscheidet der Kinder- und Jugendhilfeausschuss einer Kommune – wenn dort ein Jugendamt angesiedelt ist. Daher fordern wir ein landesweites einheitliches und transparentes Vergabeverfahren zur Vergabe von Frauenhäusern an Träger.
e) Finanzielle Unterstützung schutzsuchender Frauen
Schutzsuchende Frauen benötigen oft finanzielle Unterstützung, die sie meist durch die Beantragung von Transferleistungen erhalten. Bekommt eine Frau einen Platz im Frauenhaus, ist es bis zur ersten Auszahlung dieser Transferleistungen meist noch lang und die Wartezeit muss finanziell überbrückt werden. Deshalb braucht es eine finanzielle Unterstützung der Schutzsuchenden für die Wartezeit auf staatliche Leistungen. Um das zu erreichen muss es es für alle schutzsuchenden Frauen einen Sofortfonds geben, egal, ob sie Leistungen beantragt haben oder nicht. Dieser Fonds soll von allen Landesregierungen und der Bundesregierung finanziell ausgestattet werden.
Der Gewaltschutz muss für alle Frauen zugänglich sein. Das geplante Gewalthilfegesetz ist ein guter Anfang für eine bundesweite institutionelle Förderung von Frauenhilfesystem. Nur das kann nach unserem Verständnis die Istanbul Konvention korrekt umsetzen. Daher fordern wir die Bundesregierung und die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP dazu auf, das Gewalthilfegesetz noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden und mit ausreichenden finanziellen Ressourcen zu hinterlegen. Ziel muss sein, dass keine Frau Transferleistungen beantragen muss, um vor gewalt sicher zu sein.
f) Stereotype abbauen und Gewaltprävention stärken
Wenn in den Medien über sogenannte Ehrenmorde berichtet wird, steht oft ein Aspekt im Vordergrund: der Täter wird mit einem islamisch geprägten Herkunftsland in Verbindung gebracht. Gewaltverbrechen wie sogenannte „Ehrenmorde“ werden in der öffentlichen Wahrnehmung und medialen Berichterstattung häufig ausschließlich mit migrantischen Communities in Verbindung gebracht. Während ähnliche Taten, die von nicht-migrantischen Deutschen verübt werden, meist als Familiendrama oder Eifersucht mit weniger medialer Aufmerksamkeit abgetan werden, wird bei migrantischen Tätern häufig ein kultureller Kontext betont, der die Taten als spezifisch für ihre Herkunft dargestellt.Diese einseitige und stereotype Darstellung verstärkt rassistische Narrative und fördert die Stigmatisierung von Menschen mit Migrationshintergrund. Es wird dabei übersehen, dass tödliche Gewalt gegen Frauen ein globales Phänomen ist, das in allen Kulturen und Gesellschaften vorkommt. Zudem werden die tatsächlichen Ursachen und Hintergründe solcher Verbrechen, wie soziale Benachteiligungen und mangelnde Bildung, vernachlässigt.
Ehrenmorde alleine am Islam zu festigen versteckt bzw führt am Problem vorbei. Ehrenmorde so wir wie die in Medien und der Politik hören ist auch kein Problem des nahen Osten sondern kommen immer wieder in großen Stil im Bereichen von Südamerika in Asien aber auch in Bereichen von Afrika. Die Fixierung auf „Ehrenmorde“ als ein Phänomen, das vermeintlich nur in migrantischen Communities vorkommt, verankert tiefgreifende Vorurteile und trägt zur Ausgrenzung dieser Gruppen bei. Durch sozialpsychologische Mechanismen wird die Kriminalität der „Anderen“ als bedrohlicher und bemerkenswerter wahrgenommen als ähnliche Verbrechen in der Mehrheitsgesellschaft. Dies führt dazu, dass Gewalt gegen Frauen in migrantischen Communities besonders hervorgehoben und als kulturell bedingt dargestellt wird, während die strukturellen, sozialen und wirtschaftlichen Ursachen in den Hintergrund treten. Um dieser Problematik entgegenzuwirken, ist es unerlässlich, rassistische narrative und Stereotype zu bekämpfen, die „Ehrenmorde als spezifisches Problem migrantischer Communities darstellen. Stattdessen muss ein differenziertes Verständnis gefördert werden, das Gewalt gegen Frauen als gesamtgesellschaftliches Problem anerkennt. Die Präventionsarbeit sollte sich stärker auf die sozialen Ursachen von Gewalt, wie Armut, Bildungslosigkeit und soziale Isolation konzentrieren. Es ist entscheidend, dass migrantische Communities nicht pauschal kriminalisiert werden, sondern dass die spezifischen Herausforderungen, denen sie begegnen, berücksichtigt werden.
Eine wirksame Prävention setzt die gezielte Einbindung von Personen mit Migrationshintergrund in die Sozial- und Präventionsarbeit voraus. Diese Einbindung fördert nicht nur das Vertrauen innerhalb der Communities, sondern ermöglicht auch Veränderungen von innen heraus, die nachhaltiger und effektiver sein können. Darüber hinaus ist die Förderung der Jungen- und Geschlechterarbeit von zentraler Bedeutung. Präventionsarbeit muss bereits in der Schule ansetzen und insbesondere migrantische Jungen in ihren Identitätsbildungsprozessen unterstützen. Ein besonderer Fokus sollte dabei auf die Gleichberechtigung aller Geschlechter und die Dekonstruktion fragiler Männlichkeitsbilder und patriarchaler Strukturen gelegt werden.
Die größten Leidtragenden patriarchaler Strukturen sind häufig Migrantinnen, die aufgrund fehlender Bildung, mangelnder Sprachkompetenz und prekären ökonomischen sowie ausländerrechtlichen Situationen in einer umfassenden Abhängigkeit von ihren Familien verharren. Diese Abhängigkeit zu durchbrechen, ist die wichtigste präventive Maßnahme, um familiäre Gewalt bis hin zu Ehrenmorden zu verhindern. Dafür bedarf es umfangreicher Programme, die Migrantinnen in ihrem Emanzipationsprozess unterstützen, indem sie Bildungsangebote, rechtliche Beratung und ökonomische Hilfen bereitstellen,
Deswegen braucht es dringend folgende Punkte:
- Umfassende Bildungsarbeit: Vermittlung von Wissen über die Vielfalt von Kulturen und Religionen, um Verständnis und Respekt zu fördern und Vorurteile abzubauen.
- Sensibilisierung der Öffentlichkeit: Aufklärungskampagnen, die die sozialen und strukturellen Ursachen von Gewalt beleuchten und rassistische Narrative dekonstruieren.
- Frühzeitige Förderung von Gleichberechtigung: Integration von Jungen- und Geschlechterarbeit in den Schulalltag, um toxische Männlichkeitsbilder zu dekonstruieren und die Gleichberechtigung der Geschlechter zu fördern.
- Multidisziplinäre Ansätze: Zusammenarbeit von Schulen, sozialen Einrichtungen, Gemeinden und lokalen Behörden, um eine ganzheitliche und koordinierte Präventionsarbeit zu gewährleisten.
Förderung von interkulturellem Dialog: Schaffung von Räumen für den Austausch zwischen verschiedenen Kulturen und Gemeinschaften, um gegenseitiges Verständnis zu fördern und Vorurteile abzubauen.
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